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Kontiki und Paulchen sind diesmal nicht dabei

Rückspiegel 4 vom 21. August 2006

Rückspiegel 4 vom 21. August 2006
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In diesem Bericht:

Grenzuebertritt Sued-/Nordzypern, Tuerkei, heisses Wetter und Zugfahren in der Tuerkei, Tehran

Salam!

Auf der Karte, die wir vom Tourismusbuero Suedzypern erhalten haben, stand explizit, dass es Nordzypern gar nicht gibt (Inaccessible because of Turkish Occupation since 1974). Dies schreckte uns jedoch nicht ab. Es muss ja auf der anderen Seite vom Zaun weitergehen. Die Situation in Lefkosia war recht beklemmend: Mitten durch die Stadt fuehrt die Demarkationslinie, die mit viel Stacheldraht gesichert ist. Der Uebergang ist an derzeit fuenf Kontrollstellen moeglich. Man sollte sich jedoch vorher informieren, da sich die Situation jederzeit aendern kann. Wir benutzten den Uebergang Ledra Palace in der Altstadt, welcher eigentlich nur fuer Fussgaenger passierbar ist. Um sicher zu gehen, haben wir uns am Tag vorher zu Fuss zur Kontrollstelle aufgemacht und nachgefragt, ob wir morgen mit dem Fahrrad passieren koennen. Als wir vom tuerkischen Grenzposten zurueckkamen, zeigten sich die suedzypriotischen Zoellner sehr interessiert und wollten wissen, was die dort drueben gesagt haben.

Am naechsten Tag fuhren wir um 05:00 Uhr los und ueberquerten die “Green Line”. Das Visum wurde uns direkt vor Ort ausgestellt und wir wurden mit einem freundlichen “Hoschgeldiniz” willkommen geheissen. Alles gar kein Problem.

Nun wendete sich die Sichtweise: Auf dem Suedteil der Insel ist man der Meinung, dass der Nordteil nicht existiert. Das sehen die im Norden aber ganz anders! Ueberall hingen Flaggen, Fahnen und Girlanden. Jeweils immer die tuerkische und die tuerkisch-zypriotische Flagge zusammen. Soviel Staatsbekenntnis haben wir noch nie gesehen. Nicht mal am 1. August in der Schweiz. Von einem Polizisten haben wir dann erfahren, dass der 20. Juli der “Peace and Freedomday” ist. Das ist der Nationalfeiertag Nordzyperns, der dieses Jahr zum 32. Mal stattfindet.

Tags darauf sind wir mit dem Schnellschiff von Girne nach Tasucu gefahren.

Nun haben wir tuerkisches Festland unter den Raedern und fahren weiter in Richtung Osten: Mersin, Adana, Osmanije nach Karamanmaras. Das Wetter setzte uns immer mehr zu. Es war taeglich um die 42 Grad heiss und flacher wurde es auch nicht, im Gegenteil.

In der Tuerkei machten wir meist an Tankstellen eine Rast. Oft gab es dort kuehles Wasser oder Limonade zu trinken. Wenn zu der Tankstelle ein Lokanta gehoerte, so konnte man dort auch was zu essen kaufen. Sibil wollte einmal in einem Lokanta zwei Cay bestellen. Das Resultat dieser Bestellung, waren dann zwei Kebap und zwei Ayran. Irgendwie klappte es mit der Verstaendigung nicht so gut. Nehmen wir halt das… grins.

Ayran ist ein Joghurtdrink der mit Wasser, Salz und je nach Region auch mit Kraeutern angereichert wird. Schmeckt super gut und ist gesund.

Wo immer wir uns auch aufhielten, kamen Leute, die uns ihre Hilfe anboten. Und natuerlich wollten immer alle wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen. Auch wenn die Kommunikation nicht immer so einfach war, in der Osttuerkei spricht (fast) niemand Englisch und wir haben auch keine ehemaligen Gastarbeiter mehr getroffen, konnten wir uns mit Hilfe des Point it, Haende und Fuesse dennoch recht gut verstaendigen. Auch das Buch “Kauderwelsch Tuerkisch” hat uns sehr gute Dienste geleistet.

Wer uns etwas besser kennt, weiss, dass wir nicht die grossartigen Teetrinker sind. In der Tuerkei wird man aber um das Teetrinken nicht herumkommen. In kleineren Doerfern, an Tankstellen, kleinen Lokantas, ueberall rief man uns Cay, Cay zu und man machte mit den Haenden die Geste in der Luft, wie sie den Zucker im Tee umruehren. Ganz im Osten der Tuerkei sieht man diese Geste nicht mehr. Hier wird der Wuerfelzucker direkt in den Mund genommen und der heisse Schwarztee wird durch den Zucker gesogen. Wir mussten oftmals die Einladung ablehnen, einerseits weil wir schon einen Teebauch hatten und andererseits wollten wir ja auch ein bisschen vorwaerts kommen.

Wie man weiss, ist die Tuerkei ein Land das durch den Islam gepraegt ist und so hat es in fast jedem Dorf eine Moschee mit dazugehoerigen Minarett. Natuerlich gibt es in den Staedten mehrer Moscheen, die meist gar nicht weit voneinander entfernt sind. Wenn der Muezzin zum Gebet ruft, kann es vorkommen, dass sich die Gebetsaufrufe kreuzen, was zu einer herrlichen Kakofonie fuehrt.

Auch hier hat die Elektronik nicht halt gemacht, die Gesaenge kommen meist per Lautsprecher und oftmals auch ab Tonband.

Frueher stand der Muezzin, vergleichbar mit einer Siegristin in unseren Kirchen, auf dem hohen Turm und rief persoenlich zum Gebet auf. Damit dieser nicht in die Haeuser und Innenhoefe schauen konnte, und dort eventuell Frauen beobachten konnte, wurde diese Taetigkeit durch einen blinden Mann wahrgenommen.

In den Kellergeschossen der Moscheen befindet sich meist eine Ladenpassage oder ein kleiner Basar.

Bruno bemerkte beim Treten ein seltsames Verhalten der Pedalen. Irgendwas stimmte nicht mehr. Tretlagerdefekt war sein erster Gedanke. Beim genaueren Betrachten stellte sich heraus, dass beim hinteren Ritzel zwei Zaehne fehlen. Jetzt faehrt Bruno mit einem Zahnlueckenbaby durch die Tuerkei. smile. Anscheinend waren es keine Milchzaehne, denn es sind keine weiteren Zaehne nachgewachsen: Die Dritten muessen her. lach.
Rohloffersatzritzel ist bestellt, denn genau das haben wir natuerlich nicht dabei.

Die Hitze macht uns zunehmend zu schaffen. Doch das sollte nicht genug sein, zur Kroenung holten wir uns auch noch einen deftigen Durchfall der ganz ueblen Sorte. (Vielleicht haetten wir in dem Lokanta, wo anstatt Teller Zeitungsseiten als Unterlage gereicht wurden, lieber nicht speisen sollen. Aber es schmeckte so lecker, dass wir gleich zweimal dort essen gegangen sind!) Der Durchfall zwang uns eine Woche in Elazig zu verbringen. Wir konnten uns allerhoechstens 300 m von der Pension entfernen. In dieser Woche hatten wir viel Zeit die weitere Reise zu planen. Da wir keine Verpflichtungen oder Aehnliches haben, aenderten wir kurzfristig unsere Reiseplaene und statt mit dem Velo werden wir nun mit dem Zug weiter fahren. Mit dem Zug durch die Tuerkei ist auch ein Abenteuer fuer sich:

Auf der Strecke zwischen Elazig und Tatvan stoppte der Zug mitten in der Nacht, irgendwo in der Pampa. Die Lok stellte den Dieselmotor ab, was sehr untypisch ist. Hmmm, irgendetwas stimmt hier nicht. Kurze Zeit spaeter kam der Kondukteur und versuchte uns zu erklaeren, dass etwas nicht in Ordnung sei. Wir sollten jetzt einfach schlafen, er wuerde uns dann schon wieder wecken. Ok, gesagt, getan. Als Kopfkissen dienten uns unsere Wasserflaschen, was jedoch nicht sonderlich bequem war.

Unsere Ausruestung befand sich in einem abgeschlossenen Gueterwagen.
Um 5 Uhr ging die Fahrt dann weiter und wir erreichten Tatvan, statt planmaessig um 1 Uhr nachts, um 12 Uhr mittags.

Tatvan liegt am groessten See der Tuerkei und man kann da mit dem Schiff nach Van fahren. Da es erst 12 Uhr war, fuhren wir auf gut Glueck an den Hafen und informierten uns vor Ort, wann das naechste Schiff auslaueft. In zwei Stunden wuerde die Fahrt losgehen. So gingen wir an Bord und machten es uns an Deck bequem. Bruno freundete sich mit Ayan, dem Schiffskoch an und so erhielten wir waehrend der Ueberfahrt eine Einladung zum Tee und Abendessen in die Schiffskueche, wo sich ausschliesslich die Crew verpflegte. Es war unser erstes richtiges Essen nach der Durchfallwoche.

Sibil und Bruno in der Schiffskueche

Zur Vorspeise gab es eine Linsenreissuppe und zur Hauptspeise einen ultra scharfen Ziegenlebereintopf. Ui ui ui, wenn das mal gut geht: Auf eine weitere Woche Durchfall hatten wir ueberhaupt keine Lust! Unsere Befuerchtungen haben sich jedoch nicht bestaetigt.

Glueck hatten wir auch bei den diversen Hundeattacken, wo wir jeweils schneller als die wilden Bestien waren. Oder auch bei den Kindern, die mit gespannten Steinschleudern nach “Mani mani” fragten: Gruessen, laecheln und weiterfahren war unser Rezept dafuer. Die Schleudern verschwanden unbenutzt wieder in den Hosensaecken.

Ansonsten hatten wir mit Kindern nur gute Erlebnisse. Oft kamen sie in Scharen und bestaunten unsere Fahrraeder und unser Gepaeck, zuletzt wurden auch wir noch von Kopf bis Fuss begutachtet. Nie wurden die Velos angefasst, geschaut wurde nur mit den Augen, was uns voellig erstaunte.

In Van bereiteten wir uns auf den Iran vor. Wir kauften fuer Sibil einen Mantel, der vorschriftsgemaess bis zu den Knien reichen muss, und ein Kopftuch.

Per Zufall entdeckte Sibil einen Hilferuf in einem Radler-Forum. Jens, so heisst er, wurde eine Vordertasche in Van vor dem Supermarkt gestohlen. In der Tasche befand sich auch sein Kocher. Er kaufte sich dann einen Rucksack und wir konnten ihm mit einem Ersatzteil aus unseren Ersatzteillager aushelfen.

Im Zug nach Tehran haben wir Mahdi und Mitra, ein Ehepaar, das in Tehran wohnt, getroffen. Mahdi organisierte fuer uns dann vom Zug aus unsere Unterkunft in Tehran. Unsere Ansprueche sind wirklich nicht hoch: Ein Zimmer mit einem grossen Bett und WC im Zimmer sind fuer uns mehr als genug. Doch es kam anders: Nun wohnen wir in einer moeblierten Wohnung im 17. Stock des ASP-Towers im Norden von Tehran. Dies zum Preis einer etwas teureren Pension. Die Aussicht auf den Sueden der Stadt ist atemberaubend. Damit man sich das etwas vorstellen kann, ist im Anhang ein Foto angehaengt.

Aussicht Appartment ueber Tehran

Eigentlich wollten wir in Tehran bleiben und abwarten, bis es wieder etwas kuehler wird. Doch es kam wieder mal ganz anders:

Wir fliegen am 30. August 2006 nach Sydney in den australischen Fruehling und besuchen dort fuer 3 Monate eine Sprachschule, um unser Englisch etwas zu verbessern.

Jetzt sind wir seit zehn Tagen in Tehran. Wir haben den Flug und das Visum fuer Australien bereits organisiert. Die Velos und die Ausruestung auf Hochglanz poliert und haben zwischendurch Ausfluege in die Stadt und in die naehere Umgebung gemacht.

Zahra, Sibils Dentalhygienikerin, die seit April in Tehran wohnt, zeigt uns nicht nur wie man richtig Zaehne putzt, sondern auch die besten Plaetze und Sehenswuerdigkeiten. Und natuerlich auch wo es die besten Glace in Tehran gibt. (Gaell, Zahra!)

Wer sich durch die einseitige Information der Massenmedien von einer Reise in den Iran abhalten laesst, verpasst ungemein viel: Unglaublich freundliche, offene, humorvolle und hilfsbereite Menschen, eine herrliche Landschaft und das beste Essen!

Natuerlich sind wir uns bewusst, dass die Gastfreundschaft auch sehr durch den Glauben und Kultur gepraegt ist. Als kleines Beispiel moechten wir die Einladung, die wir letzte Woche annahmen, anfuehren: Eine Einladung in ein iranische Familie zu erhalten ist eine grosse Ehre. Als Gast sollte man mit Komplimenten zur Einrichtung, Kochkuensten der Frau etc. nicht sparen. Bei Komplimenten zu Einrichtungsgegenstaenden oder aehnlichem kann es einem passieren, dass man vom Gastgeber z.B. mit einer Kristallkugel beschenkt wird, weil man diese vorher bewundernd angeschaut hat. Diese Geschenke sind eigentlich keine richtigen Geschenke und es gehoert sich, dass man diese zuerueckweist. Normalerweise wird dieses “Spiel” zwei bis drei mal wiederholt. Wenn aber auch nach zehnmaligen Hin und Her der Schenker nicht lockerlaesst und einem gar keine Argumente gegen das Geschenk mehr einfallen, so darf man das Geschenk annehmen. Aber was wollen wir mit einer halben Kilo schweren Kristallkugel im Gepaeck? So bleibt die Kugel erstmal da wo sie ist und das ist gut so.

Die naechsten Paar Tage werden wir die Fahrraeder Emirates-Kompatibel verpacken und diverse Einladungen wahrnehmen. Unseren Gaesten servieren wir Hoernli mit Ghacktem und Apfelmus.

Traditionelles Restaurant

Fragen und Antworten

Wie fühlen wir uns?

Sibil: Wieder gut, seit ich in dieser Hitze nicht mehr trampen muss. Freue mich nun auf Australien.
Bruno: Richtig gut. Es ist wunderschoen hier.

Was vermissen wir?

Sibil: Meine 1L Siggflasche die ich im Taxi liegenlassen habe.
Bruno: Hier gibt es alles, was das Herz begehrt und begehren koennte.

Das gefaellt mir:

Sibil: Die Basare, die Sprache und, dass ich als Frau nicht mehr die einzige auf der Strasse bin.
Bruno: Die Aussicht unserer Tehraner Wohnung und die schoenen Seidenteppiche auf dem Teppichbasar.

Das ist mir aufgefallen:

Sibil: Dass der Haendedruck von Iraner ganz drucklos erfolgt. Im Gegensatz zu der Osttuerkei wird auch mir wieder die Hand gereicht. Es herrschte eine Verbundenheit unter den Frauen, welche man sich mir gegenueber mit einem Laecheln oder einem Kopfnicken zeigt.
Bruno: Entgegen meiner Erwartungen nehmen Frauen am oeffentlichen Leben Teil und werden wieder beachtet. Und ich habe noch nie so viele Peugot 206 auf der Strasse gesehen wie hier in Tehran.

Unsere bisherige Reiseroute:

Ebertswil (CH) – Donaueschingen (D) – Ulm – Regensburg – Passau – Wien (A) – Bratislava (SK) – Trencin – Piestany – Komarom (H) – Esztergom – Budapest – Baja – Sombor (YU) – Novi Sad – Belgrad – Nis – Gevgelia – Thessaloniki (GR) – Rhodos – Faliraki – Limassol (CY) – Lefkosia – Girne – Tasucu (TR) – Adana – Elazig – Tatvan – Van – Tehran (IR)

Etwas für Zahleninteressierte:

Anzahl Tage unterwegs: 126
Regentage: 3 (seit 18. April 2006)
Kilometer: 3700 (gewuenscht von Mami Kaethi)

Geplante Weiterreise:

Sydney (AU)

Choda hafez!

Sibil Kurtz und Bruno Holliger

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